#28 – Ed Partyka über Billy Strayhorn und Duke Ellington

Shownotes

Wie eng ihre musikalische Verbundenheit war, illustriert eine Anekdote: Duke Ellington war auf Tournée, Billy Strayhorn blieb in New York. Das Intro zu einem Stück sollte komponiert werden. Also beschlossen die beiden, unabhängig voneinander je eine Variante zu schreiben, die bessere wollten sie dann verwenden. Als sie sich wieder trafen und einander ihre Vorschläge vorspielten, waren diese identisch.

So eng, wertvoll und fruchtbar diese Zusammenarbeit auch war, hatte sie auch viele Schattenseiten. Heute weiss man, dass Hunderte von Kompositionen und Arrangements, die in Ellingtons Name veröffentlicht wurde, eigentlich von beiden oder sogar nur von Billy Strayhorn allein stammen. Ed erzählt uns in der heutigen Episode, was Billy Strayhorns frühzeitiger Tod damit zu tun haben könnte und was in der Jazz-Szene gemunkelt wird.

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00:00:00: Zurich Jazz Talks: Die Podcast-Serie des Zurich Jazz Orchestra. Heute mit  

00:00:05: Ed Partyka. Er kommt aus Chicago, lebt aber seit drei  Jahrzehnten in der Schweiz. Der Bassposaunist und Tubist

00:00:12: Ed Partyka ist der Leiter des ZJO. Er ist aber  auch Hochschuldozent und ein wandelndes  

00:00:17: Nachschlagewerk, vor allem wenn es um Jazz-Grössen wie Duke Ellington geht. Das Interview  

00:00:22: für Susanne Locker, für den Podcast zuständig ist  Pablo Faccinetto, die Leitung hat Bettina Uhlmann.

00:00:31: Ed, glad to have you.

00:00:33: Glad to be here. It's nice to be had.

00:00:37: Not the first time and not the last either.

00:00:40: Ed, wenn das ZJO Ellington spielt, ist das Publikum jedes Mal  begeistert. Kannst du das erklären?

00:00:46: Nein. Entschuldige! Kannst du es versuchen?

00:00:55: Ich habe dich akustisch nicht verstanden. Wenn das ZJO Ellington spielt, ist das Publikum

00:01:01: jedes Mal begeistert. Kannst du versuchen, das zu erklären?

00:01:07: Das ist eine sehr gute Frage. Es gibt meiner  Meinung nach Musik, die einfach zeitlos ist und  

00:01:17: beliebt bei vielen vielen Menschen. Ob das Mozart,  Beethoven, Bach oder Miles Davis, Duke  

00:01:27: Ellington ist - das sind grosse Künstler und Künstlerinnen, die  Musik kreiert haben, die die Menschen lieben. Und ich habe keine Ahnung, wie  und warum, aber das ist wirklich zeitlose  

00:01:43: Musik. Das ist zeitlose Musik, egal ob man mit  dieser Musik aufgewachsen ist oder eben nicht.

00:01:51: Es bewegt was in den Menschen. Ich will  nicht unbedingt Duke Ellington mit Glenn Miller  

00:01:58: vergleichen, aber vor ewiger Zeit  gab es den Gedanken: Okay, die Leute, die in  

00:02:08: den 70er- und 80er-Jahren gern Glenn Miller gehört haben, die haben

00:02:15: damals Big-Band-Musik gehört und geliebt, weil sie damit aufgewachsen sind. Das ist  

00:02:21: die Musik von ihrer Jugendzeit. Wenn die  dann alt und tot sind, dann wird die Musik  

00:02:26: von Glenn Miller nicht mehr gespielt, aber wie wir  sehen heutzutage: Das Glenn Miller Orchester, das  

00:02:32: boomt wie noch nie. Wenn die im KKL in Luzern  spielen: 1800 Plätze ausverkauft und das hat einen  

00:02:40: enormen Zulauf, obwohl alle Leute, die mit  dieser Musik aufgewachen sind, längst tot sind.

00:02:47: Die Musik von Ellington ist auch einfach zeitlos. Aber genau  

00:02:54: warum, kann ich.. ja, ich kann das nicht beschreiben, leider. Dieses Mal steht ein Tribute an Billy Strayhorn auf  

00:03:02: dem Programm. Ein Tribute, das das Ellington Orchestra ja unmittelbar nach seinem Tod aufgenommen hat.

00:03:08: Die beiden haben sehr sehr lange zusammengearbeitet. Kannst du diese Zusammenarbeit ein bisschen erklären?

00:03:16: Die beiden haben sich gefunden als Komponist und als Arrangeur,

00:03:25: und sie haben ja fast 30 Jahre lang wirklich eng zusammengearbeitet, oder sogar mehr...

00:03:31: ... fast 30 Jahre. Und es war so: Diese  Zusammenarbeit war so eng, dass angeblich als z.B.

00:03:41: Ellington auf Tournée war mit dem Duke Ellington Orchestra, Billy Strayhorn in New York  

00:03:47: geblieben ist. Sie waren dabei, neue Stücke  zu schreiben, und sie haben Aufgaben aufgeteilt:   

00:03:55: wer die Einleitung zu diesem Stück schreibt, wer  das Stück schreibt und so weiter. Und sie konnten  

00:04:01: sich nicht entscheiden, wer die Einleitung für  eine neue Komposition schreiben sollte. Sie  

00:04:07: haben sich entschieden: Okay, jeder von uns schreibt  eine Einleitung, und dann spielen wir beide, und  

00:04:14: wir schauen, welche besser ist. Na, super Deal. Gut,  jeder hat seine Arbeit getan, die haben sich ein  

00:04:20: paar Wochen später irgendwo getroffen. Sie haben  beide diese separat komponierten Einleitungen eine  

00:04:27: nach der anderen gespielt und angeblich: Beide waren  identisch. Das heisst: Das sind zwei Musiker, zwei  

00:04:35: Komponisten, die haben eigentlich den Gedanken  vom anderen lesen können. Das war wirklich  

00:04:40: eine sehr sehr enge Zusammenarbeit, die für beide  sehr sehr fruchtbar war und natürlich: Da gibt's  

00:04:49: auch ein bisschen eine dunklere Seite, weil   wenn wir das Ganze diskutieren, auch heutzutage:  

00:04:57: Wir sagen "Duke Ellington", "Duke Ellingtons Musik", "das  Duke Ellington Orchester". Doch eigentlich war während diesen 30  

00:05:04: Jahren Billy Strayhorn wirklich für den Erfolg ein wichtiger Bestandteil und er war...  

00:05:12: er ist wirklich daran beteiligt gewesen, um diesen Erfolg zu erreichen.  

00:05:20: Und wenn du z.B. Bücher über Billy Strayhorn liest.. der war schon... Billy Strayhorn war schon ein  

00:05:29: bisschen verbittert, dass nur  Duke Ellingtons Name in der Öffentlichkeit

00:05:36: berühmt und bekannt war. Darüber, ob er so verbittert  war, dass er sich zu Tode gesoffen hat, kann  

00:05:43: man streiten. Aber natürlich hatte Billy Strayhorn ein schweres Alkoholproblem und  

00:05:49: das hat auch zu seinem frühzeitigen Tod geführt.  Dass er einfach seine Alkoholsucht nicht im Griff  

00:05:55: gehabt hat und - wie gesagt - es gibt Leute, die daraus den Schluss ziehen und sagen: Okay ja, es gab schon.. ja,  

00:06:02: diese Verbitterung. Das Ganze ist  wohl sehr fruchtbar, für die Musikgeschichte, sehr  

00:06:08: sehr wichtig. Es ist nicht ohne Stress und Streit  und eventuell so einen bitteren Nachgeschmack.

00:06:18: Zu Ellington: Sein Sound ist ja wirklich einzigartig. Wir haben in einem früheren Podcast über die Bläser, die Eigenheiten

00:06:26: der Bläser gesprochen. Kannst du uns noch ein bisschen was über die Rhythmusgruppe erzählen, bitte?

00:06:32: Ja, kann ich sehr sehr gerne, weil Duke Ellington und Billy Strayhorn,

00:06:37: beide haben relativ sparsam  für Klavier geschrieben. Wenn wir uns die Musik von  

00:06:44: Ellington anhören: Sehr oft spielt das Klavier gar nicht, weil das die Momente waren, wo  

00:06:50: Ellington selber das Orchester dirigiert hat oder  einfach sehr sehr sparsam gespielt hat. Und wenn  

00:06:56: wir über Big-Band-Klavierspielen reden:  Natürlich geht Count Basie als derjenige durch,

00:07:04: der nur ab und zu mal paar Töne gespielt hat. Sehr  sehr markant, wenig Töne. Aber wenn du die Musik  

00:07:10: von Duke Ellington und Billy Strayhorn hörst: Sehr oft ist das Klavier wirklich kaum wahrzunehmen,  

00:07:16: was natürlich auch die Bläser mehr in den Vordergrund  gestellt hat, aber auch den Kontrabass. Und angefangen in den 30er-Jahren, mit den

00:07:29: virtuosen Bassisten, die bei Ellington gespielt haben:  Der Bass hat wirklich eine wichtige Rolle in Ellingtons

00:07:35: Orchester. Sehr viel mehr wurde für Kontrabass  notiert als in anderen Big Bands im Jazz.  

00:07:43: Sehr sehr oft Verdopplungen mit Saxofon, Posaune und eigenständigen Basslinien. Das ist wirklich  

00:07:49: auch so ein Ding, was Ellingtons Musik von  Count Basie und anderen Big Bands unterscheidet,  

00:07:56: auch im Bereich Schlagzeug. Fast ein  kammermusikalischer oder manchmal ein  

00:08:01: syfonischer Ansatz, was das Schlagzeug angeht. Und natürlich auch ein paar virtuose Schlagzeuger. Und wenn  

00:08:08: wir über dieses spätere Ellington Orchester reden: Ein  sehr wichtiger ist Louie Bellson gewesen. Auch einer von  

00:08:14: den ersten Weissen, die in Ellingtons Band gespielt haben,  ein absolut virtuoser Schlagzeuger.  

00:08:20: Nämlich derjenige, der zum ersten Mal - ich  glaube in der Musikgeschichte - die Doppelpauke

00:08:26: integriert hat, was dann danach sehr verbreitet worden ist im Heavy Metal,

00:08:33: im Hard Rock. Aber Louie Bellson war - wenn nicht  der Erste - einer der Ersten, der das in einem

00:08:39: Jazz-Kontext gespielt hat. Wie muss man

00:08:45: sich das vorstellen? Also, Ellington hat eine sehr eigene Besetzung, er komponiert. Besetzt er die Band nach  

00:08:51: seinen Kompositionen oder komponiert er für  seine Band? Wie herum funktioniert das?

00:08:58: Alles, was wir heutzutage wissen  ist: Er hat für seine Musiker,  

00:09:06: für die Persönlichkeiten in seinem Orchester komponiert. Und angeblich, wenn jemand sein  

00:09:13: Orchester verlassen hat und er nachbesetzt hat, mussten manchmal die neuen Leute  

00:09:18: quasi die Persönlichkeit oder die Rolle  annehmen von den Vorgängern. Manche haben das  

00:09:24: gerne gemacht und manche andere nicht so gerne.  Ich weiss: Es gibt auch ein Buch mit dem  

00:09:31: Titel "Duke's 'Bones", ein Buch  über die verschiedenen Posaunisten und Posaunensätze  

00:09:38: in Ellingtons Orchester. Und ich weiss, als einer von  den wichtigsten Plunger-Spieler, Solisten aus  

00:09:47: der Band ausgestiegen ist: Da haben sich die drei Posaunen-Kollegen gestritten, wer jetzt diese Plunger-Solos  übernehmen soll. Zuerst wollte es niemand,  

00:09:59: weil sich jeder eher als Solist ohne Plunger,  ohne diesen Growl-Effekt verstanden hat. Aber jemand musste es ja machen und sich dann  wirklich diesen Stil aneignen. Aber das haben  

00:10:14: die Leute dann tatsächlich gemacht, sodass dieser  spezifische Klang dann über Generationen  

00:10:20: weitergegeben worden ist. Das heisst natürlich im Umkehrschluss: Selbstverständlich hat  

00:10:25: Ellington für seine Musiker komponiert, aber  natürlich musste der Klang vom Orchester dann  

00:10:32: weitergeführt werden von den Neulingen. Und was  man daraus auch als Schluss ziehen kann: Das  

00:10:39: Count Basie Orchester existiert immer noch, ist immer  noch 50 Wochen im Jahr auf Tournée. Wie  

00:10:48: ich vorhin erwähnt habe: Das Glenn Miller Orchester ist immer noch in verschiedenen Varianten.. es gibt ein

00:10:52: europäisches Glen Miller Orchester, ein nordamerikanisches Glen Miller Orchester.

00:10:55: Die beiden Orchester sind nach wie vor auf Tournée, aber es gibt kein Duke- Ellington-Nachfolge-Orchester, weil die  

00:11:05: Persönlichkeiten von den Musikern von Ellingtons Orchester so stark waren, dass als die alle tot waren oder..

00:11:14: das ist auch.. wenn man Ellington und sehr viele von seinen  Musikern, wenn man das Ganze anschaut: Sehr viele  

00:11:20: sind innerhalb von zwei Jahren gestorben, so in kürzester  Zeit. Ellington ist 1974 gestorben und in den ein, zwei  

00:11:29: davor bis kurz nach sein Tod sind sehr viele von  seinen langjährigen Weggefährten auch gestorben:

00:11:34: Johnny Hodges, Harry Carney und und und. Deswegen gibts eigentlich keine Ellington Band  

00:11:42: heutzutage, die glaubwürdig diese Musik spielt.  Das ist auch ein Zeichen dafür, wie  

00:11:49: wichtig die Persönlichkeiten von Ellingtons Solisten  waren für Ellington als Komponist/Arrangeur, aber auch  

00:11:56: für den Klang - wie dus gesagt hast - vom Orchester. Und es ist auch  

00:12:06: eine Herausforderung, wenn wir heutzutage versuchen,  Ellingtons Musik nachzumachen oder nachzuspielen,  

00:12:14: ist es auch sauschwierig, diese  Persönlichkeiten wirklich zu kopieren.

00:12:19: Jetzt spielt ihr "… And His Mother Called Him Bill". Was gefällt dir persönlich besonders gut an diesem Tribute?

00:12:28: Ich finde die Musik von Billy Strayhorn ist total schön, total super komponiert und arrangiert. Wie wir am Anfang diskutiert  

00:12:37: haben oder wie du erwähnt hast: Das ist wirklich ein  Tribute-Konzert oder eine Tribute-Platte,  

00:12:43: damals. Ellingtons Band - kurz nach Billy  Strayhorns Tod - hat eine Platte mit Billy Strayhorns  

00:12:49: Eigenkompositionen aufgenommen. Und man hört wirklich die Liebe, wenn man diese Aufnahme  

00:12:55: hört, und deswegen ist diese Musik.. diese Musik  hat was Magisches und es ist auch sehr interessant,  

00:13:03: eine ganze Platte oder ein ganzes Programm  von Billy Strayhorns Kompositionen zu spielen  

00:13:10: ohne Ellington, weil normalerweise, wenn man ein  Ellington/Strayhorn-Konzert spielt, mischt man  

00:13:17: Kompositionen zusammen. Bei manchen von  den Suiten, z.B bei "Such Sweet Thunder", was  

00:13:22: wir letztes Jahr gespielt haben: Man weiss  nicht genau, wer welches Stück geschrieben hat.  

00:13:28: Es ist eher so ein Puzzle. Aber hier: Das  ist wirklich ein Programm, das 100%  

00:13:34: aus Kompositionen von Billy Strayhorn besteht,  und deswegen ist es auch interessant zu sehen..  

00:13:42: ... die Unterschiede zu Ellington. Weil er  nutzt schon teilweise etwas andere Voicing-Techniken,  

00:13:51: wie er die Bläsersätze zusammenmischt, die Harmonik, die er nutzt. Es ist schon  

00:13:59: ein bisschen anders als Ellington. Es wäre  natürlich auch interessant  

00:14:05: zu sehen, was passiert.. was hätte  passieren können, wenn eventuell Strayhorn sich von  

00:14:14: Ellington getrennt hätte und länger gelebt hätte, weil  vielleicht hätte er sich auch noch eigenständiger  

00:14:19: entwickeln können. Aber ja, es ist einfach  interessant, diese Musik von Strayhorn wirklich als  

00:14:24: eigenständige Musik zu analysieren, zu spielen, zu hören. Klar, innerhalb des Frameworks von  

00:14:34: Ellington, aber doch eigenständig.

00:14:36: Wir freuen uns sehr auf eure Interpretation. Vielen Dank, dass du hier warst, Ed.

00:14:40: Danke.

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