#20 - Ed Partyka: The Art of Arranging
Shownotes
Ed Partyka ist nicht nur selber Arrangeur und Komponist, sondern er unterrichtet diese Handwerke auch an der Hochschule Luzern. Die erste Frage, die er seinen Schülern und Schülerinnen zu Beginn des Kurses jeweils stellt, ist: «Was kann man ändern?». Die Antwort ist viel simpler, als man meinen würde. Sie lautet nämlich: «alles». Doch wenn man alles ändern kann, wann ist die Grenze überschritten und eine Rekomposition entstanden? Worauf soll man achten? Welche theoretischen Hintergründe und Kenntnisse muss man haben, um ein passendes Arrangement zu machen? Die Antworten auf diese Fragen und wie er selbst ein Arrangement angeht verrät uns Ed Partyka in unserem Gespräch.
Transkript anzeigen
00:00:03: Zurich Jazz Talks: Die Podcast-Serie des Zurich Jazz Orchestra.
00:00:07: Heute mit Ed Partyka.
00:00:10: Mit dem musikalischen Leiter der Big Band sprechen wir heute über "The Art of Arranging" - die Kunst des Arrangierens.
00:00:18: Das Interview führt Susanne Loacker, für die Aufnahme zuständig ist Pablo Faccinetto und die Leitung hat Bettina Uhlmann.
00:00:28: Ed, wenn du ein Stück arrangierst, das du gar nicht selbst geschrieben hast: Wann wird das gefühlsmässig dein eigenes?
00:00:38: Als Arrangeur sucht man immer einen Zugang zu einer Komposition. Und natürlich ist Arrangieren
00:00:47: ein Handwerk, aber es ist meiner Meinung nach auch eine Kunstform: Es ist
00:00:54: auch kreativ. Wenn ich ein Stück arrangiere, versuche ich irgendwas, ein Element oder Elemente
00:01:01: zu finden, die mich ansprechen, und dann daraus etwas Eigenes zu machen, meinen Fingerabdruck auf
00:01:10: dem Stück zu hinterlassen, in der Hoffnung, dass irgendwie irgendwas Neues - und ich will nicht sagen was Besseres - dabei rauskommt. Aber so, dass ich sagen kann: "Hey, ich habe was Positives dazu beigetragen."
00:01:27: Ist es die Challenge, dass was Besseres herauskommt?
00:01:32: Auf jeden Fall. Das ist ja auch das Dankbare am Job von einem Arrangeur. Früher habe ich immer Witze darüber gemacht. Wenn ein Arrangement besonders gut gelungen ist, habe ich immer gesagt: "Hey, das ist super: Ich habe aus einem schwachen Stück
00:01:51: was Besseres gemacht, ich habe das Stück gerettet."
00:01:57: Und in dem Fall, dass ein Arrangement nicht so toll gelungen ist, habe ich oft früher gesagt:
00:02:03: "Ja ja, das Stück war so schlecht, das war nicht zu retten." Also eigentlich eine dankbare Aufgabe.
00:02:10: Aber es ist eine Challenge und es erfordert relativ
00:02:17: viel Arbeit: Sehr viel Nachdenken, die Auseinandersetzung mit der Materie, mit
00:02:25: dem Ursprünglichen, dem Originalmaterial. Und dann sehr oft die Frage: "What if? Wie wäre es, wenn?"
00:02:39: Das finde ich auch sehr hilfreich, weil dann kommt man vielleicht auf
00:02:43: neue, aussergewöhnliche oder ungewöhnliche Ideen. Das finde ich immer faszinierend.
00:02:51: Was macht denn in deiner Wahrnehmung einen guten Arrangeur aus? Ein guter Arrangeur beherrscht das ganze Handwerk,
00:03:02: die ganzen Techniken und - was ich vorhin auch erwähnt habe - eine Kombination aus Handwerk und Kreativität.
00:03:10: Die ganzen handwerklichen Sachen wie Orchestration, Instrumentierung, dass man sehr gute Fachkenntnisse über Harmonie hat, über
00:03:19: Form. Solche Sachen. Aber natürlich auch, dass man kreativ damit umgehen kann.
00:03:25: Was ich auch total wichtig finde ist, dass man einen sehr grossen und sehr breiten Überblick
00:03:31: nicht nur über die Jazz-Geschichte hat, sondern über die ganze Musikgeschichte. Und wenn das
00:03:37: alles irgendwann zusammenkommt - ja, ich glaube, das sind die Sachen, die einen guten Arrangeur ausmachen.
00:03:44: Den kreativen Teil kann ich mir glaube ich vorstellen, den handwerklichen
00:03:49: noch nicht so ganz. Kannst du das ein erklären, was du ganz konkret machst?
00:03:53: Also, du hast eine Partitur vor dir, von einem Original, und was machst du dann ganz konkret?
00:04:00: Die erste Frage, wenn du mit einem Leadsheet oder Noten von einer Komposition das Stück arrangieren möchtest,
00:04:12: - und Arrangieren ist eigentlich Gestalten - die erste Frage, die stelle ich immer in meinem Arrangement-Kurs
00:04:20: auf der Uni in der ersten Vorlesung. Ich frage immer: "Was kann man ändern?". Wenn ein Arrangeur
00:04:27: ein Stück arrangieren, gestalten will, was kann man da ändern? Natürlich sagen die Leute:
00:04:33: Rhythmus oder Tempo oder Tonart oder Harmonie, aber die eigentliche Antwort ist: Alles.
00:04:42: Das ist für mich einfach befreiend. Du kannst wirklich alles ändern, was ich vorhin erwähnt habe:
00:04:49: Die Harmonie, Form, Tempo, Groove, Taktart, Tonart. Das Einzige, was man
00:04:55: als Arrangeur nicht ändern darf, ist die Hauptmelodie: Sobald du die Hauptmelodie
00:05:02: zu sehr änderst, dann hast du nicht mehr ein Arrangement, du hast eigentlich eine Rekomposition. Aber im
00:05:10: Prinzip heisst das einfach, zu wissen: Was gibt es für Möglichkeiten bei einer Taktart für
00:05:17: ein bestimmtes Stück? Wenn ein Stück normalerweise im 4/4 ist, könnte ich das eventuell
00:05:21: in 7/8 machen? Könnte ich das in 13/8 machen? Geht es sich noch aus? Macht es noch Sinn,
00:05:28: wenn die Melodie in 7/8 präsentiert wird? Sehr gute Harmonie-Kenntnisse muss man haben,
00:05:34: sodass man eine Reharmonisierung machen kann, Ersatzakkorde oder eine Ersatzakkordabfolge.
00:05:42: Tonarten sind wichtig, weil für verschiedene Sänger und Sängerinnen oder für verschiedene
00:05:47: Instrumente die ursprüngliche Tonart einer Komposition oft nicht passt - solche Sachen zu wissen.
00:05:53: Oder auch zum Beispiel - wenn wir über Tonarten reden - manche Tonarten sind vielleicht ein bisschen
00:05:58: dunkler vom Klang her, manche heller. Das Spielen mit "dunkel" und "hell" den Tonalitäten und Tonarten.
00:06:08: Orchestration und Instrumentation ist einfach auch ein sehr grosses Feld: Welches Instrument wird die Melodie spielen,
00:06:15: wer wird solieren, wer wird begleiten? Und dann: Welche Instrument-Kombinationen sind
00:06:20: interessant? Auch hier: Wollen wir irgendwas mit dunklen Klangfarben, wo man sagt: "Okay, ich
00:06:27: schreibe für Bassklarinetten, Posaunen in Dämpfern, vielleicht Tuba, oder will ich irgendwas Helles
00:06:34: wie Sopransaxofon, Querflöte, eine Trompete in Harmon-Dämpfer?" - solche Sachen. Dann, wie gesagt, dieses
00:06:41: unfassbar interessante Puzzle: Wie kann ich die verschiedenen Instrumenten kombinieren,
00:06:46: um neue Klangfarben zu entwickeln, wie man es vielleicht noch nie vorher gehört hat?
00:06:53: Gibt es so ein Stück, von dem du sehr selbstbewusst sagen würdest: Doch, aus dem habe ich jetzt etwas
00:06:58: gemacht, was besser ist als das Original? Ich würde nicht sagen besser, aber sagen wirs so: Es gibt
00:07:07: ein paar Arrangements, die ich geschrieben habe, wo ich wirklich das Gefühl habe, dass ich meinen
00:07:12: Fingerabdruck hinterlassen habe. Dass ich wirklich eine Version arrangiert, kreiert
00:07:19: habe, die wirklich eine eigene Persönlichkeit hat - nicht unbedingt besser als das Original, aber
00:07:26: wirklich eigenständig und wo man Partyka hört. Genau, ja, es
00:07:34: gibt schon ein paar Stücke, wo ich glaube, dass es gelungen ist.
00:07:39: Wir freuen uns darauf, die zu hören. Herzlichen Dank, Ed Partyka. Danke.
Neuer Kommentar