#18 – Efrat Alony

Shownotes

Die Musik der Sängerin, Texterin, Komponistin und Bandleaderin Efrat Alony ist so vielschichtig wie ihre Biografie, die sie durch verschiedenste Länder führte. Efrat Alony sieht die Musik als Brücke zwischen Menschen, die selbst glauben, nicht miteinander auskommen zu können. Doch wer die Musikerin heute auf der Bühne zu sehen kriegt, würde kaum glauben, dass sie einst fast den Weg zur Psychologin eingeschlagen hätte. Efrat Alony hatte damals Angst, dass Musik nur auf Emotionen basiere und sie den intellektuellen Aspekt in ihrem Beruf vermissen würde. Dennoch gab sie dem Musikstudium eine Chance - bereits in der ersten Semesterwoche war dann klar: «There’s nothing else and there’s going to be nothing else». Heute weiss sie, dass die Musik beide Aspekte vereint, Emotionen und Intellekt.

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00:00:00: Zurich Jazz Talks, die Podcast-Serie des Zurich Jazz Orchestra - heute mit Efrat Alony.

00:00:06: Die Sängerin,Texterin und Bandleaderin hat soeben ihr neues Album "Händel - Fast Forward" veröffentlicht. Ihr letztes Album

00:00:13: "Hollywood Isn't Calling" hat den deutschen  Jazzpreis für das beste Vokal-Album

00:00:17: des Jahres gewonnen. Das Interview führt  Susanne Loacker; für den Podcast, den wir für

00:00:22: einmal im Freien aufgenommen haben, zuständig ist  Pablo Faccinetto. Die Leitung hat Bettina Uhlmann.

00:00:29: Efrat, deine neues Album heisst "Händel - Fast Forward" - warum in aller Welt "Händel" und warum "Fast Forward"?

00:00:36: Also, ich hatte sehr lange eine secret love affair mit Barockmusik,

00:00:42: weil da ganz viele Ähnlichkeiten mit dem Jazz sind: die Improvisation,

00:00:48: die Variation mit der Musik, die jeden Abend  wie eine andere Performance ist. Und jetzt

00:00:55: habe ich mich getraut, tatsächlich Arien von  Händel zu nehmen und zu versuchen, sie ins Hier und Jetzt zu bringen. Deshalb das "Fast Forward". Alles klar, danke. Du hast eine extrem internationale

00:01:11: Biografie - ist Musik so national wie  Sprachen oder ist sie universeller?

00:01:17: Die Musik ist extrem universell und kann  wunderbar als eine Brücke genutzt werden,

00:01:25: um zwischen Menschen - manchmal Menschen, die  meinen, sie könnten miteinander nicht oder

00:01:31: wollen miteinander nicht - zu überbrücken. Ich finde es extrem stark, eine nonverbale Art

00:01:37: zu kommunizieren, die trotzdem sehr  durchdringt und die keine Grenzen hat - ja.

00:01:46: Jemand, mit dem du offenbar gut kannst, ist Ed Partyka. Ihr kennt euch schon sehr lange. Wie habt ihr euch denn kennengelernt?

00:01:54: Wir haben uns durch unseren damaligen gemeinsamen Lehrer  Bob Brookmeyer kennengelernt. Ed hat länger bei ihm

00:02:01: studiert, und ich hatte bei ihm auch Kompositions-Unterricht. Er hat uns zusammengebracht.

00:02:09: Bob wollte eigentlich mit mir was machen, mit  seinem Orchester, aber Ed ist ihm zuvorgekommen.

00:02:17: Wir arbeiten tatsächlich seit 2004  zusammen, zum Teil sehr intensiv, mal

00:02:23: mit Pausen, und jetzt wieder ziemlich viel. Du hast ja schon mal für das Zurich Jazz Orchestra

00:02:30: gesungen. Damals war noch Rainer Tempel der Orchester-Leiter. Was hast du für Erinnerungen an diesen Gig?

00:02:37: Ich war drei Jahre alt. Das war 2007.

00:02:45: Ich habe eine sehr gute Erinnerung. Das  war tatsächlich das erste Mal, dass ich 

00:02:49: in Zürich war. Das war, bevor ich die Stelle in Bern hatte, und ich erinnere mich daran,

00:02:56: dass es drei sehr intensive Tage waren, an denen es uns gelang, alles umzusetzen.

00:03:01: Es war wundervoll, die Band kennenzulernen und mit ihr zu spielen. Es ist sehr viel Material, es ist relativ intensive Musik.

00:03:08: In der Lage zu sein, ein derartiges Konzert mit eigentlich nur einer Probe auf die Beine zu stellen, ist jedes Mal grossartig.

00:03:14: Und es war auch gestern genau so. Es ist wirklich eine wundervolle Band. Es war extrem freudvoll,

00:03:22: aber ich glaube, wenn ich es vergleiche, eben weil ich drei Jahre alt war, war ich damals ein wenig schüchtern.

00:03:31: Aber jetzt war es andere Begegnung: Man hat Erfahrung gesammelt, man weiss mehr, wie mit

00:03:39: solchen Situationen umzugehen ist. Und ich glaube, dass es eine andere Atmosphäre kreiert, weil man die Gefühle

00:03:49: anderer Menschen aufschnappt. Wenn ich ein wenig ängstlich bin, werden sie ängstlich. Aber wenn ich

00:03:55: so tue, als wisse ich, was ich mache, dann... du weisst schon.

00:04:00: Wenn du weisst, wie du so tun kannst, als wüsstest du, was du tust: Ist das etwas, das du auch als Lehrerin in Bern anwenden kannst?

00:04:09: Wenn ich unterrichte, versuche ich nichts vorzumachen - das ist die Regel Nummer eins.

00:04:14: Ich versuche beim Unterrichten eine sehr  offene und ehrliche Beziehung zu haben und  

00:04:19: auch manchmal über Sachen zu sprechen, über die die Leute nicht so gerne sprechen:

00:04:24: Zum Beispiel, was es eigentlich  bedeutet, ein Jazzmusiker, eine Jazzmusikerin zu sein, wenn

00:04:31: man die Hochschule verlässt und dass man das wirklich

00:04:36: wirklich wollen muss, um es durchstehen zu  können. Es geht also wirklich um diese endlose

00:04:46: Leidenschaft. Und wenn du die nicht wirklich hast, sage ich immer: Wenn es irgendwas anderes gibt, das du dir vorstellen

00:04:51: kannst zu tun, tu das. Denn du brauchst dafür viel Willenstärke und viel Glauben an die innere Vision.

00:05:03: Denn manchmal geht die gegen alles, wovon andere denken, es sei korrekt oder richtig. Und wenn es dir nicht gelingt,

00:05:11: dabeizubleiben, ist es sehr schwierig. Ich kenne sehr viele Musiker und Musikerinnen, die aufgehört haben.

00:05:16: Ich meine damit grossartige Musiker und Musikerinnen, die

00:05:20: einfach nicht mit diesem anderen Teil des Business umgehen konnten.

00:05:26: Das heisst, du selbst hast dir nie vorstellen können, etwas anderes zu machen?

00:05:30: Doch, ich wollte eigentlich Psychologie studieren, aber ich hatte Angst, dass ich, wenn ich es nicht mit der

00:05:38: Musik probiere, mit 40 eine Midlife-Crisis haben und es extrem bereuen würde.

00:05:44: Deshalb habe ich angefangen zu studieren  und dachte, ich gebe mir ein Jahr, und danach

00:05:50: entscheide ich mich. Aber es war nach der ersten Woche eigentlich klar: Es gibt und wird nichts anderes.

00:05:59: Das war lustigerweise auch mit  Barockmusik verbunden, weil es das erste Mal war,

00:06:07: dass ich Bach hörte, und ich hatte Angst, dass Musik nur mit Emotionen verbunden ist und ich

00:06:13: den intellektuellen Teil vermissen würde. Und dann habe ich realisiert, wie viel Intellekt in der Musik vorhanden ist.

00:06:21: Es öffnete eine Million Türen für mich - um auf die Frage vom Anfang zurückzukommen - wieso Barock?

00:06:27: Wenn du von "Verstehen" und "Gefühlen" sprichst, würde  mich interessieren: Du machst ja ganz viele

00:06:32: verschiedene Dinge - du arrangierst, du komponierst, du textest - wie sehen denn deine Arbeitsprozesse aus?

00:06:37: Sind das sehr intuitive Momente oder ist  das auch etwas sehr Durchdachtes?

00:06:42: Ich sage immer, dass ich keine Schreib-Jobs habe. Und jedes Mal, wenn ich ein Stück fertig geschrieben habe, bin ich mir absolut sicher,

00:06:51: dass es das letzte Stück ist, dass ich je schreiben werde, und ich habe keinen blassen Schimmer, wie ich es gemacht habe.

00:06:57: Insofern ist der Prozess extrem intuitiv und  das wird mir bewusst in der Sekunde, wo

00:07:05: ich das Ganze aufschreibe. Ich schreibe  immer am Klavier. Ich habe dabei keine Ahnung -

00:07:10: manchmal weiss ich nicht mal, in welcher Tonart es ist oder was das Tempo ist. Ich habe keine Ahnung. Erst, wenn

00:07:18: ich beginne, es niederzuschreiben, denke ich: "Ah, das ist es. Es macht auch Sinn."

00:07:23: Es ist, wie es ist. Und ich bin sehr dankbar dafür und ich glaube, das hat

00:07:29: zum Teil damit zu tun: Mein formaler Kontakt mit der Musik fing de facto an,

00:07:36: als ich anfing zu studieren. Ich  konnte damals noch nicht mal Noten lesen,

00:07:42: und als ich studierte, fühlte es sich so an, als wüssten alle schon alles und ich wisse nichts.

00:07:51: Und ich habe mich natürlich in den ersten Jahren extrem geärgert und hatte das Gefühl,

00:07:55: ich müsse so viel nachholen, aber auf der anderen Seite: Weil ich die Regeln nicht kenne, habe ich die grosse Freiheit,

00:08:02: das zu nehmen, was ich möchte, und es so zu benutzen, wie ich möchte,

00:08:05: weil ich in einem jungen Alter nicht "gefesselt" wurde. Und niemand hat mir gesagt, was richtig und falsch sei.

00:08:11: Ich machte einfach mein Ding und ich glaube, es ist sehr bereichernd für mich und die Musik, die ich schreibe,

00:08:18: dass ich tatsächlich verschiedene Dinge nehme - etwas von hier und etwas von hier - und es hat lange gedauert,

00:08:26: bis ich mich eine Jazzsängerin nannte, weil es nicht die Tradition ist, mit der ich aufgewachsen bin oder von der ich komme.

00:08:33: Aber ich verstehe Jazz heute als etwas Grösseres als das, was viele Menschen unter Jazz definieren würden.

00:08:40: Es geht darum, innovativ zu sein und den Mut zu haben, zu sagen, was man denkt, und eine Meinung haben

00:08:49: und die soziale Relevanz zu verstehen davon, wo ich lebe und wie ich diese Musik als Brücke nutzen, um

00:08:56: etwas zu kommunizieren, das mir wichtig ist.

00:09:01: Ich glaube, das ist ein gutes abschliessendes Statement ist. Wir bedanken uns für deine Zeit und wünschen dir viel Glück für dein neues Album.

00:09:07: Danke sehr. Danke sehr, Efrat Alony. Danke.

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