#17 – Ed Partyka über Duke Ellington

Shownotes

Ellingtons Orchester hat mehr oder weniger eine Standart-Big-Band-Besetzung, aber doch mit ein paar Extra-Kleinigkeiten. Wenn man Duke Ellingtons Orchester mit dem Orchester des zweiten grossen Klangästheten, mit dem Count Basie Orchestra vergleicht, fallen Unterschiede auf: Beim Count Basies Orchester spielt die Rhythmus-Gitarre von Freddie Green eine zentrale Rolle. Ellingtons Orchester ab ca.1930 hat keine Gitarre und Ellington selber hat relativ viel dirigiert. Auch hat Ellingtons Posaunensatz nur drei Posaunen – im Gegensatz zu m Orchester von Basie und anderen Big Bands, wo normalerweise vier bis fünf Posaunen dabei sind. Dieser etwas schlankere Posaunensatz-Klang ist sehr ausschlaggebend für Ellingtons Klangästhetik.

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00:00:03: "Zurich Jazz Talks": Die Podcast-Serie des Zurich Jazz Orchestra. Heute mit Ed Partyka.

00:00:10: Der musikalische Leiter des ZJO spricht über Duke Ellington: Wegbereiter, Pionier und Inspiration und noch vieles mehr.

00:00:18: Das Interview führt Susanne Loacker, für den Podcast zuständig ist Pablo Faccinetto, die Leitung hat Bettina Uhlmann.

00:00:28: Ed, ganz kurz, wenn das überhaupt möglich ist: Was bedeutet dir Duke Ellington?

00:00:33: Für mich ist Duke Ellington einfach eine grosse Inspiration. Natürlich, wir wissen, er

00:00:42: ist Band-Leader gewesen, Big-Band-Leiter natürlich. Der hat sein "Duke Ellington Jazz Orchestra" knapp 50 Jahre

00:00:49: lang am Leben erhalten - und das ist sowieso einfach eine Meisterleistung. Sehr viele von seinen

00:00:57: Musikern waren wirklich sehr lange dabei. Er hat einen Klangkörper erschaffen, der

00:01:05: einfach total wichtig für die Jazz-Geschichte, Big-Band-Geschichte, war. Aber auch als Modell oder als

00:01:14: Beispiel dafür, wie wir heutzuage im 21. Jahrhundert ein Jazz-Orchester führen können.

00:01:21: Und er war nicht nur Band-Leader, er ist auch Komponist gewesen von Hunderten wenn nicht

00:01:27: Tausenden nennenswerten Kompositionen. Auch tausende Arrangements hat er geschrieben. Pianist war er auch - das vergessen

00:01:37: auch viele Leute. Er ist ein hervorragender Pianist gewesen. Aber es gibt noch ein paar andere Sachen, die

00:01:44: auch sehr sehr inspirierend für mich sind: Die Tatsache, dass er ein Diplomat war,

00:01:51: was ich vorhin erwähnt habe, dass er sein Orchester zusammengehalten hat über 50 Jahre.

00:01:56: Er war diplomatisch mit Jazz-Musikern und -musikerinnen. Er hat wirklich die Leute zusammengehalten,

00:02:05: was nicht immer einfach ist. Weil, wie wir wissen: Jazzmusiker, Jazzmusikerinnen, Künstler und Künstlerinnen,

00:02:10: das sind wirklich teilweise schwierige Persönlichkeiten. Alleine, dass er auf diesen Ebenen war,

00:02:18: aber auch ein Diplomat, indem er Jazzmusik und afroamerikanische Kultur weltweit vertreten hat - auch wichtig.

00:02:27: Und auch ein sehr wichtiger Punkt, den ich von Duke Ellington mitgenommen habe,

00:02:32: mitnehme, ist seine Funktion als "Collaborator". Jemand, der aus verschiedenen

00:02:40: Einflüssen, durch Beiträge oder Inputs von seinen Musikern, irgendwas Wunderbares geschaffen

00:02:48: hat, was eigentlich viel grösser ist als die Einzelteile. Das finde ich auch total

00:02:54: wichtig und das ist auch wichtig mitzunehmen als Big-Band-Leader im 21. Jahrhundert:

00:03:00: auf die Musiker und Musikerinnen zu hören, diesen Input zu nehmen, aber als Kollektiv

00:03:06: sind wir einfach stärker und das ist für Big-Band-Musik extrem wichtig.

00:03:14: Ich finde es sehr schön, wie du jetzt die Inspiration genommen hast, die man ja sehr

00:03:17: oft metaphorisch verwendet, und uns ganz konkret erklärt hast, was du als Orchesterleiter

00:03:23: quasi mitnehmen kannst von ihm. Gibt es eine Eigenschaft, die Duke Ellngton hatte, die du ihm gerne stibitzen

00:03:29: würdest, wenn du könntest, die dir vielleicht fehlt?

00:03:33: Ja, ich würde mehr arbeiten. Duke Ellington war wirklich - wenn wir von Work-Life-Balance reden, da gab es in seiner Welt

00:03:45: eigentlich nur die Musik, und es gibt zahlreiche Geschichten, wie er einfach mehr oder weniger

00:03:52: mehr als 20 Stunden am Tag gearbeitet hat, über 50 Jahre. Man sieht das auch an

00:03:57: seinem Schaffen, an diesem Output. Manchmal denke ich, ich könnte ein bisschen

00:04:03: mehr produzieren. Da bin ich ein bisschen neidisch und ich habe noch keinen

00:04:10: Weg gefunden, Ellington nachzukommen in diesem Bereich. Trotzdem versuche in weiterhin, noch mehr

00:04:20: zu arbeiten oder vielleicht effizienter oder besser zu arbeiten, weil das ist einfach,

00:04:25: wenn man anschaut, was er für eine Masse am super Musik kreiert hat,

00:04:32: ja, denke ich, das ist auch eine Inspiration. Ja, das treibt mich nach vorne - hoffentlich.

00:04:40: Die ganz unterschiedlichen Arten von Musik, die sind auch eine Herausforderung, wenn man ein Programm

00:04:45: für eine Big Band zusammenstellt, stelle ich mir vor. Ihr habt euch für die Suiten entschieden - weshalb das?

00:04:53: Es gibt für Ellington-Fans eigentlich zwei goldene Epochen von Ellingtons Orchester:

00:05:03: die 30er-Jahre von ungefähr 1927 bis 42, aber ungefähr in den 30er-Jahren, als

00:05:11: sein Orchester wirklich zum ersten Mal weltberühmt wurde, musikalisch auf der höchsten Ebene gearbeitet hat und

00:05:24: wo er seine früheren Meisterwerke geschrieben hat. Und dann gab es den Zweiten Weltkrieg. Nach dem Zweiten Weltkrieg

00:05:31: gab es einen Tiefstand und dann in den 50er-Jahren, von ungefähr 1956 bis Ende der 60er-Jahren,

00:05:39: bis 67 besser gesagt, als Billy Strayhorn gestorben ist, gab es die zweite goldene Epoche von Ellingtons Schaffen,

00:05:46: wo Ellington und Strayhorn als reife Komponisten diese grösseren Werke geschaffen haben wie

00:05:53: die Suiten, wo die Musik konzertanter und einfach reifer wurde.

00:06:04: Und das finde ich, ja, das ist einfach meine Lieblingsepoche von Ellingtons Musik. Deswegen

00:06:09: haben wir die Suiten ausgesucht. Das ist nicht das erste Mal, dass

00:06:15: wir uns mit dieser Musik beschäftigen. Wir haben schon letztes Jahr "Such Sweet Thunder"

00:06:20: gespielt und dieses Jahr wollen wir die "Far East Suite" spielen. Was wir gemerkt haben -

00:06:27: oder was ich gemerkt habe, ist, dass das Orchester sehr sehr viel Spass dabei gehabt hat.

00:06:33: Für das Publikum war es auch - das ist einfach super Musik, die jetzt mittlerweile - ja, das sind

00:06:40: Klassiker. Und wenn wir Jazzmusik oder Big-Band-Musik mit klassischer Musik vergleichen,

00:06:48: dann ist Ellington unser Beethoven. Das heisst, es sollte Platz sein in einem Jahreskonzertprogramm

00:06:56: für die Meister. Und ja, weil das mit Ellington beim Orchester so gut geklappt hat und so gut beim Publikum angekommen

00:07:05: ist, haben wir entschieden, diesen Ellington-Schwerpunkt ein bisschen weiterzuführen.

00:07:09: Was heisst das für die Besetzung der Big Band?

00:07:13: Ellingtons Orchester hat mehr oder weniger eine Standart-Big-Band-Besetzung, aber doch mit ein paar Kleinigkeiten.

00:07:21: Wenn man Duke Ellingtons Orchester mit Count Basies Orchester vergleicht, die beiden Klangästhetiken:

00:07:27: Beim Count Basies Orchester spielt die Rhythmus-Gitarre von Freddie Green eine zentrale Rolle.

00:07:35: Ellingtons Orchester ab ca.1930 hat keine Gitarre und Ellington selber hat relativ viel dirigiert.

00:07:46: Das heisst, sehr oft ist Ellingtons Musik befreit von einer Schicht von Rhythmusgruppen-Begleitung.

00:07:55: Das macht die Musik sehr klar, aber es ist auch eine Herausforderung für die einzelnen

00:08:01: Bläser, weil plötzlich gibt es keinen Ort, wo man sich verstecken kann. Diese Klarheit, diese

00:08:07: konzertante Musik ist eine Herausforderung für Musiker, aber diese Klarheit ist es auch,

00:08:12: was ich sehr schätze an Ellingtons Musik. Es gehört zu diesem Klang, zu dieser Klangvorstellung

00:08:22: von Ellingtons Musik. Es sind Kleinigkeiten, die wahrscheinlich nur wirkliche Big-Band-Nerds

00:08:28: interessieren, aber zum Beispiel Ellingtons Posaunensatz hat nur drei Posaunen statt wie bei

00:08:34: Basie und anderen Big Bands, wo normalerweise vier bis fünf Posaunen dabei sind. Dieser etwas

00:08:41: schlankere Posaunensatz-Klang ist sehr ausschlaggebend für Ellingtons Klangästhetik.

00:08:48: Die Harmonien, die Ellington dann schreiben konnte für seine Posaunen, sind auf Dreiklänge

00:08:55: reduziert statt die üblichen Vierklänge, was auch Teil der normalen

00:09:01: harmonischen Jazzsprache ist. Plötzlich klingt der Posaunensatz ganz anders. Den Trompetensatz

00:09:07: hat Ellington mehr oder weniger normal verwendet in seinen Big Bands. Was auch

00:09:14: sehr interessant ist bei Ellingtons Orchester ist der Saxofonsatz: Die

00:09:21: solistischen Rollen vom Lead-Alt Johnny Hodges bei Ellington und Bariton-Saxofon Harry Carney

00:09:28: in Ellingtons Orchester, das sind sehr sehr wichtige Stimmen und

00:09:34: die Musik muss an diesen beiden Positionen, Bariton-Saxofon und Alt-Saxofon, die Spieler müssen

00:09:42: eigentlich wie Johnny Hodges und Harry Carney klingen, sonst funktioniert die Musik nicht.

00:09:48: Das sind für einzelne Leute wirklich Herausforderungen. Und noch etwas zur Klangästhetik:

00:09:55: Ein wichtiger Bestandteil ist die Klarinette. Den Klang von Klarinetten hat Ellington immer verwendet

00:10:01: und das heisst, für Ellington-Programme braucht man wirklich Saxofon-Spielende, die

00:10:07: solistisch auf Höchstniveau Klarinette spielen können. Und das ist

00:10:14: auch, wo wir unsere Besetzung erweitern:

00:10:21: mit einem zusätzichen Klarinettisten. Für einen normalen Saxofonspieler oder eine Saxofonspielerin,

00:10:28: die Klarinette als Nebeninstrument spielt, ist das einfach nicht machbar.

00:10:34: Das hat auch Auswirkungen auf unsere Besetzung und auch für das ZJO,

00:10:39: wie wir besetzt sind momentan mit Tuba und Waldhorn. Denn natürlich: Bei Ellingtons Musik

00:10:47: gibt es keine Tuba und kein Waldhorn. Es ist auch einfach eine schlankere Besetzung und

00:10:52: das führt zu einem schlankeren Klang. Es ist auch sehr sehr interessant, weil wir

00:10:57: wirklich umdenken müssen.

00:11:03: Nochmals, das sind Kleinigkeiten, die wahrscheinlich für einen normalen Zuhörer oder eine Zuhörerin

00:11:07: uninteressant sind, aber doch ausschlaggebend. Denn deswegen klingt Ellingtons Musik und Ellingtons Orchester so.

00:11:16: Das ist sehr sehr sehr spannend, ganz herzlichen Dank für die Ausführungen, Ed Partyka.

00:11:21: Danke.

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