#12 – Ed Partyka (III)
Shownotes
Aufgewachsen in Chicago war Ed Partyka bereits als Achtjähriger von Glenn Miller begeistert. Aber auch Duke Ellington, Count Basie oder Stan Kenton waren für ihn prägend. Einen grossen Einfluss hatten dann vor allem Bob Brookmeyer und die acht Jahre im Vienna Art Orchestra mit Mathias Rüegg. Diese Einflüsse sind heute in Ed Partykas eigener Klangsprache zu finden, wenn er komponiert und arrangiert.
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00:00:29: Ed Partyka ist seit September 2021 musikalischer Leiter des Zurich Jazz Orchestra.
00:00:36: Er ist nicht nur Arrangeur, Komponist und eben Big-Band-Leiter, sondern selber auch Musiker. Ich würde gerne heute mit ihm
00:00:43: über ihn als Musiker sprechen.
00:00:45: Ed Partyka, du hast in ganz vielen Big Bands gespielt in der Vergangenheit. Welche hat dich am nachhaltigsten geprägt? Es sind zwei Orchester, die mich sehr nachhaltig geprägt
00:00:58: haben. Das erste ist Bob Brookmeyers New Art Orchestra. Ich habe dort mitgespielt von 1994 bis 2011, bis zu Bobs Tod.
00:01:08: Bob war auch mein Kompositionslehrer, er hat wirklich alles in meinem Leben sehr sehr
00:01:16: stark geprägt. Das zweite Orchester, das mich sehr stark geprägt hat, ist das Vienna Art Orchestra.
00:01:24: Ich war acht Jahre lang Mitglied im Vienna Art Orchestra und ich muss sagen,
00:01:29: Mathias Rüegg und was er dort gemacht hat, das hat mich auch sehr sehr stark beeinflusst. Es ist sehr
00:01:36: interessant: Brookmeyer und Mathias Rüegg, die sind so weit voneinander entfernt.
00:01:44: Die beiden kannten sich nicht, aber sie haben auch sehr starke Kritik
00:01:51: geäussert über die Musik des anderen. Das fand ich sehr interessant, in beiden Orchestern
00:01:57: gleichzeitig zu spielen und manchmal die Kommentare auf der Chefetage immer -
00:02:03: die beiden haben nicht miteinander kommuniziert, aber ich weiss zum Beispiel: Einmal haben wir mit Brookmeyers
00:02:10: New Art Orchestra in Wien gespielt. Mathias Rüegg kam, hat sich den ersten Konzertteil angehört und
00:02:17: ist dann in der Pause nach Hause gegangen. Am nächsten Tag hat er zu mir gesagt: "Hör mal, das
00:02:22: ist das langweiligste, was ich je gesehen habe." Ein paar Jahre später habe ich Bob
00:02:29: die neue Vienna Art Orchestra CD gegeben. Er hat sie angehört und gesagt: "Zirkusmusik, Zirkusmusik".
00:02:36: Es war wirklich sehr interessant, in beiden Orchestern zu spielen, weil
00:02:41: weil ich habe von beiden Orchesterleitern und Komponisten sehr viel mitgenommen, also
00:02:46: da ist auch einfach ein Teil von von beiden in mir drin. Du bist eine Synthese aus
00:02:51: Rüegg und Brookmeyer, sozusagen.
00:02:56: Ich bin auch ein sehr grosser Fan von Duke Ellington, sodass auch auf jeden Fall
00:03:00: Duke Ellington drin ist. Die ersten Big Bands, die ich als Kind geliebt habe, waren
00:03:07: tatsächlichkeit Glenn Miller, Count Basie und Stent Kenton. Stan Kenton ist als Persönlichkeit
00:03:15: heutzutage ein bisschen umstritten, aber seinen Sinn für Inszenierung,
00:03:23: für Dramatik finde ich nach wie vor sehr sehr interessant. Glenn Miller war die
00:03:31: Musik, die meine Liebe zu Big Band geweckt hat, als Kleinkind. Ich bin auf eine Schallplatte von
00:03:37: meinem Vater gestossen, auf eine Platte von Glenn Miller Platte, ich war damals ein 8- oder 9-jähriges Kind. Ich meine, das ist nicht normal, dass ein 8-, 9-jähriges Kind, eine Schallplatte aus
00:03:50: der Schallplattensammlung von seinem Vater mit Big-Band-Musik anhört und dann denkt:
00:03:55: "Oh, das ist toll!". Aber ich war als Kind auch von Glenn Miller begeistert. Hier ist eine
00:04:01: Geschichte zum Thema Glenn Miller: Ich habe in einer Tageszeitung gelesen, als ich 11 oder 12 Jahre alt
00:04:08: war, dass das Glenn Miller Orchester in unserer Nähe spielen würde, und ich habe meine Eltern
00:04:15: angebettelt: "Bitte bitte bitte, könnten wir zum Glenn Miller Orchesterkonzert?". Meine Eltern
00:04:21: waren damals eigentlich viel zu jung, um Glenn-Miller-Fans zu sein. Wir sind ans Konzert und sassen ganz
00:04:29: hinten, und vor uns - ich kann mich immer noch daran erinnern! - vor uns nur graue Haare.
00:04:37: Meine Eltern waren die jüngsten Erwachsenen und ich war das einzige Kind. Sonst waren alles
00:04:45: Pensionierte, nur wirklich alte Leute. Das Glenn Miller Orchestra hat das Stück "Pennsylvania 6-5000"
00:04:53: gespielt, und für Leute, die das Stück kennen, irgendwann mittendrin [singt Melodie].
00:05:03: Das Publikum sollte dann schreien: "Pennsylvania 6-5000!". Das ist ein Teil von der Show
00:05:10: und ich habe mich sehr gefreut, als die das gespielt haben, und ganz laut von hinten
00:05:17: geschrien: "Pennsylvania 6-5000!!!!" - als Kleinkind. 800 90-Jährige haben sich alle umgedreht.
00:05:25: Die haben das nicht fassen können, dass ein Kind dabei war und so laut schrie.
00:05:30: Das ist wie gesagt meine Besessenheit mit Glenn Miller, schon
00:05:34: damals als Kind. Das hat das Ganze ausgelöst und seitdem bin ich wirklich sehr sehr mit Big
00:05:42: Bands involviert. Ich habe in vielen gespielt und bin immer noch leidenschaftlicher Fan von Big Bands.
00:05:50: Wie würdest du denn heute deine eigene Klangsprache oder deine Klangfarbe beschreiben, für jemanden, der dich
00:05:57: nicht oder noch nicht kennt? Eine Synthese von all den Namen, die ich bereits genannt habe.
00:06:06: Zum Beispiel: Meinen Sinn für Klang, also für Klangfarben und Voicings, habe ich
00:06:16: von Brookmeyer. Für mich ist ein Teil des Jazz afro-amerikanisch
00:06:28: und Blues. Ich komme ursprünglich aus Chicago. Das ist eine Stadt, wo
00:06:36: Blues zu Hause ist. Ich bin mit mit sehr viel Blues-Musik aufgewachsen. Und wie
00:06:42: gesagt, Basie und Ellington, Charles Mingus haben mich auch in diese Richtung geprägt und natürlich auch all die
00:06:49: Komponisten, die man "Third Stream" nennt. Die "Third Stream"-Bewegung, das war eine Bewegung
00:06:58: in den 40er-, 50er-Jahren in Amerika. Das waren die ersten Annäherungsversuche von
00:07:05: Jazzmusikern und Klassik - was heutzutage ganz normal ist. Wenn ich mit meinen Studierenden
00:07:13: über Third-Stream-Musik rede, sage ich: "Damals es gab Jazzmusiker, die haben Elemente
00:07:20: von klassischer Musik zu integrieren versucht." Meine Studierenden heutzutage sagen:
00:07:25: "Hör mal, das machen wir sowieso." Das finde ich wirklich toll, dass die Grenzen zwischen den
00:07:31: verschiedenen Genres, Stilen, Musikstilrichtungen zum Grossteil gefallen sind.
00:07:38: Aber diese Third-Stream-Musik hat mich sehr stark geprägt und auch in meiner Big-Band-Musik sind durchaus
00:07:45: Elemente, die man vielleicht mehr aus der klassischen Musik kennt, oder manchmal auch experimentell:
00:07:53: Klangfarben, Rhythmen, Form. Das sind Sachen, die meine Musik ausmachen,
00:08:00: wie gesagt beeinflusst von Third Stream und den bereits erwähnten Big Bands
00:08:07: und Big-Band-Komponisten. Du hast mal erwähnt, du hattest in deiner Musikerkarriere
00:08:12: das Glück, dass du mit mit vielen Leuten, die dich beeinflusst haben oder zu denen du auch
00:08:17: aufgeschaut hast, selber Musik machen durftest - du hast mit Brockmeier gespielt und so. Wenn du jetzt
00:08:22: heute sagen dürftest, es kommt eine gute Fee und du kannst noch drei Leute aussuchen, mit denen
00:08:28: du mal zusammen spielen möchtest: Wüsstest du drei Leute und und wer wäre das dann?
00:08:35: Tot oder lebendig? Machen wir zuerst die Lebendigen. Ich habe eigentlich das Glück gehabt und
00:08:45: ich habe immer noch das Glück, mit absolut tollen Leuten spielen zu dürfen. Etwas, was ein bisschen
00:08:51: schade ist: Ich habe mehrmals mit Carla Bley gespielt. Sie hat 2006 ein wunderbares
00:09:00: Weihnachtsprogramm geschrieben und arrangiert. Ich war bei der Uraufführung als Blechbläser dabei und
00:09:10: wir haben das auch 2008 aufgenommen und das ist als Idee 2010 erschienen, aber leider
00:09:16: leider ist es nie wirklich zu langen Tourneen gekommen und Carla hat damals gedacht: "Oh, das
00:09:25: wird sicher der Renner sein, jedes Jahr vor Weihnachten machen wir eine
00:09:29: Weihnachtstournee mit diesem wunderbaren Programm", aber aus irgendwelchen Gründen kam das bei den
00:09:34: Veranstaltern nicht so gut an. Es ist schade, dass das Programm nicht gespielt wird.
00:09:40: Natürlich würde ich sehr gerne wieder mit Carla Bley etwas machen.
00:09:44: Aber sie ist gerade 85 geworden, reist nicht mehr so viel
00:09:51: wie früher. Es wäre natürlich wünschenswert, wieder etwas mit Carla machen zu können.
00:09:57: Ich habe schon ein Projekt mit Robben Ford gemacht, mit dem Gitarristen und Sänger, der früher mal mit Miles
00:10:05: gespielt hat. Ich würde auf jeden Fall sehr gerne wieder was mit mit Robben Ford machen.
00:10:09: Wir hoffen, dass das stattfindet. Sonst gehen momentan fast alle meine Wünsche in Erfüllung.
00:10:17: Ich habe auch eine sehr glückliche Situation mit dem ZJO und mit dem UMO Helsinki Jazz Orchester,
00:10:24: dass ich sehr viele von den Musikern, mit denen ich immer schon einmal zusammenarbeiten wollte, einladen kann.
00:10:32: So auch im nächsten Jahr: In Helsinki machen wir was mit einem von meinen Lieblingssängern,
00:10:37: Ola Onabulé. Wir haben schon ein Projekt gemacht, aber wir dürfen noch eins machen.
00:10:43: Ich habe gerade letztes Jahr mit China Moses, einer meiner Lieblingssängerinnen, gearbeitet,
00:10:49: auch wieder neue Sachen geschrieben. Diese Wünsche gehen
00:10:55: nach und nach in Erfüllung und ich hoffe, dass wir auch hier in Zürich ein paar von diesen
00:11:00: Leuten einladen können. Darauf freuen wir uns. Herzlichen Dank für deine Antworten, Ed Partyka.
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