#11 – Yumi Ito
Shownotes
Der Podcast wurde im März 2022 gleich anschliessend an eine Probe mit dem Zurich Jazz Orchestra im Korridor der ZHdK aufgenommen. Verzeihen Sie uns daher die Geräuschkulisse. Wir sprechen mit Yumi Ito über ihr musikalisches Schaffen, ihre Dozentinnentätigkeit, die Rolle der Frau im Jazz und was Jazz eigentlich im Jahr 2022 bedeutet.
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00:00:26: Hallo Yumi Ito, Du bist zum ersten Mal beim Zurich Jazz Orchestra zu Gast. Deine Wurzeln
00:00:34: sind japanisch und polnisch und Du bist nicht nur Sängerin, sondern auch Komponistin und unterrichtest
00:00:40: hier Jazzgesang, bist Dozentin für Jazzgesang. Sag mal, wenn Du jetzt Deine Studierenden
00:00:46: vor Deinem inneren Auge Revue passieren lässt: Ist Jazz immer noch eine Männerdomäne?
00:00:52: Im Gesang, finde ich, ist es keine Männerdomäne, weil da habe ich acht
00:00:59: oder neun Frauen und nur zwei Männer. Bis jetzt hatte ich eigentlich sehr wenig männliche
00:01:03: Gesangsstudierende. Ist das gut oder schlecht? Gefällt Dir das oder findest Du es eher schade?
00:01:09: Ich fände es toll, wenn es irgendwann mal so 50/50 wäre, also 50 Prozent Frauen, 50 Prozent
00:01:17: Männer, damit dieses Klischee irgendwann verschwindet, dass Sängerinnen
00:01:21: meistens weiblich sind und Instrumentalistinnen oder Instrumentalisten eben männlich.
00:01:28: Aber ich glaube, in den letzten Jahren hat sich schon ein bisschen was getan. Ich
00:01:32: sehe an meinen Konzerten manchmal junge Saxophonistinnen oder Instrumentalistinnen, die
00:01:38: dann auch mit mir sprechen nach dem Konzert. Das finde ich extrem ermutigend und motivierend,
00:01:45: für mich als Musikerin und auch als Dozentin. Wann hast Du für Dich selbst gemerkt, was Deine Rolle als junge Frau in der Jazz-Welt ist? Ich denke, einfach sichtbar zu sein und auch
00:01:59: sich nicht zu verstellen, sondern einfach sich selbst zu bleiben und jenseits von Geschlecht
00:02:05: einfach kreativ zu sein. Aber ich glaube, es braucht wirklich mehr weibliche Personen auf den Bühnen,
00:02:12: da ja auch junge Frauen und Mädchen Vorbilder brauchen. Ich hatte auch meine Vorbilder auf den Bühnen wie zum Beispiel Maria Callas, Ella Fitzgerald, Björk. Das sind auch alles Frauen. Hast Du für Dich persönlich eine These, weshalb
00:02:32: meine Vorbilder auf den Bühnen wie zum Beispiel Maria Callas, Ella Fitzgerald. Björk. Das sind auch Hast du für dich persönlich eine These, weshalb Frauen eher Sängerinnen werden und Männer eher
00:02:37: Instrumentalisten - kannst Du das erklären? Ich glaube, ich weiss,
00:02:44: da wissenschaftlich nicht genug darüber, warum es so ist. Was sicherlich so ist, dass diese Jazzszene
00:02:52: - an Hochschulen zumindest - oftmals sehr kompetitiv ist. Auch die Jam Sessions oder
00:02:59: überhaupt die Geschichte des Bebops. Ich habe schon das Gefühl, dass - viele meiner Studentinnen
00:03:05: sagen manchmal auch, dass sie sich nicht trauen, auf die Bühne zu gehen an den Jam Sessions oder
00:03:11: auch Instrumentalistinnen oder Instrumentalisten selber egen sich manchmal auf über diese
00:03:17: ellenlangen Soli. Oder auch wenn man nach New York geht und da einfach eine halbe Stunde
00:03:22: lang Saxophonistinnen oder Saxophonisten vor allem in der Reihe stehen und warten, bis sie ihr
00:03:27: zehnminütiges Solo abdrücken können. Ich glaube, das findet eigentlich niemand besonders lustig,
00:03:34: auch die Rhythm Section nicht, egal ob weiblich oder männlich. Ich denke, die
00:03:38: Situation ist schon oftmals sehr kompetitiv und ich glaube, wir müssen da auch umdenken und,
00:03:46: ja, alternatives Denken fördern. Nicht nur Schwarz und Weiss sehen, auch gerade im
00:03:52: Bezug auf Jazz. Was Jazz eigentlich heutzutage noch heisst im Jahre 2022. Viele meiner Studentinnen, aber
00:03:59: auch ich selber... Ich mache ja auch eine Mischform aus Musik, die nicht so eindeutig einzuordnen
00:04:06: ist in Jazz oder Pop. Da kommt auch noch die Frage auf, ist es überhaupt noch Jazz.
00:04:12: Ich hätte Dich das jetzt tatsächlich auch gerne gefragt: Was ist der grösste
00:04:16: gemeinsame Nenner Deiner doch sehr eigenen Stilmischung?
00:04:22: Ich glaube, die Songform. Das interessiert mich einfach sehr:
00:04:27: der Song. Ich gehe meistens vom Song aus, behandle den dann aber auch sehr
00:04:31: Jazz-Tradition-gerecht. Ich habe ja Jazz studiert und mich hat Improvisation schon
00:04:40: immer sehr interessiert, und dieser sehr freie Umgang mit Phrasing, Rhythmisierung von Melodien.
00:04:44: Und auch, dass ich mir die Freiheit nehme, während des Konzertes jedes Mal die Melodie wieder ganz
00:04:49: anders zu interpretieren. Da ist es schon eher an den Jazz angelehnt als das, was ich von
00:04:57: meinem Pop-Kolleginnen sehe, die teilweise wirklich eins zu eins immer wieder die
00:05:02: genau gleiche Melodie singen. Es gibt auch da natürlich Ausnahmen wie Joni Mitchell, eher
00:05:07: vom Songwriting, aber ich würde sagen, dass mein Hauptzentrum der Song ist, die Geschichte und das
00:05:14: alles zusammenbringt und ich innerhalb dessen gerne eben improvisatorisch an mein eigenes
00:05:19: Material aber auch an anderes Material herangehe. Die Melodien sind sicher sehr vom Pop oder
00:05:26: sehr eingängig beeinflusst. Sobald ich mich aber in ein Instrument verwandle und meine
00:05:33: eher instrumentalistische Seite lebe und mit der Stimme improvisiere, lehne ich mich schon
00:05:38: oft auch an Bebop-Melodien oder die ganze Jazz-Geschichte an. Du trittst ja in sehr unterschiedlichen
00:05:44: Formationen auf, von sehr kleinen bis doch relativ grossen Formationen. Hast Du sowas wie ein
00:05:51: Lieblingsensemble, von der Grösse oder von der Besetzung her? Ich bin eigentlich sehr offen. Natürlich
00:05:57: mag ich das Gefühl von grossen Ensembles. Auch gerade das Konzert mit dem Zurich Jazz Orchestra
00:06:03: war natürlich extrem inspirierend für mich, weil es sich jedes Mal anfühlt, als würde ich so
00:06:08: schönes warmes Bad nehmen. Gut, ein bisschen mehr Adrenalin ist auch dabei aber dieses - ja, es ist
00:06:14: eine ganze Klangpalette hinter mir dann. Das Gleiche war auch so mit meinem Orchestra. Ich
00:06:20: habe ja auch mein Yumi Ito Orchestra. Zur Zeit sind wir jetzt gerade nicht aktiv, weil ich
00:06:24: beschlossen habe, mich auf meine kleineren Projekte zu
00:06:29: konzentrieren, einfach aufgrund der ganzen Corona-Situation hat sich das natürlicherweise so
00:06:36: herausgestellt, dass es sehr sehr schwierig ist, für so viele Menschen Reisen zu organisieren. Deswegen tendiere ich im Moment privat jetzt mehr als Leaderin zu meinen zwei aktiven Projekten
00:06:49: zu performen. Das eine ist das Duo mit Szymon Mika, das ein Gitarrist aus Polen, und
00:06:56: ich habe ein Trio mit dem Kontrabassisten Kuba Dworak und Iago Fernandez am Schlagzeug.
00:07:02: Diese ganz kleinen Formationen erlauben mir sehr flexibles Arbeiten und da kann ich mich auch
00:07:09: voll auf die Musik konzentrieren und muss mir logistisch nicht mehr so viele Gedanken
00:07:14: machen wie jetzt halt beim Orchestra, als ich 11 Menschen auch noch managen musste, deswegen
00:07:20: privat im Moment eher kleine Bands aber natürlich musikalisch bin ich immer offen auch für
00:07:26: grössere Ensembles. Herzlichen Dank für dieses Gespräch. Herzlichen Dank für die Einladung.
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